Mythos Kuhmilch: Gibt es eine ethisch saubere Milch?

Wer einmal die herzzerreißenden Rufe einer Kuh gehört hat, die nach ihrem frisch geborenen Baby sucht, wird das wohl nie wieder vergessen. Die Trennung von Kalb und Kuh ist aber nur eins der vielen Probleme in der Milchindustrie. Wir haben hinter die Kulissen geschaut.

Kuhmilch von Weidekühen
© Emil - stock.adobe.com

Gemütlich grasende Kühe auf blumigen Weiden und glückliche Kinder mit Milch-Schnurrbart auf der Oberlippe – solche Bilder begleiten uns täglich in den Medien und machen den Kuhmilch-Zauber perfekt. Doch die Realität in den Kuhställen hat mit den idyllischen Bildern, die uns die Werbung vorgaukelt, nicht im Geringsten zu tun. Hinter dem calciumreichen Getränk steckt sehr viel Tierleid. Was sind die größten Probleme in der Milchindustrie?

Inhaltsübersicht:

Milch kaufen: vier Tipps für mehr Tierwohl

  1. Es gibt Landwirte, die ihren Kühen „Elternzeit“ und den Kälbern eine glückliche Kindheit gönnen. Die Welttierschutzgesellschaft hat eine Liste von Höfen mit alternativen Aufzuchtformen veröffentlicht. 
  2. Was wir von Fleisch oder Eiern kennen, gilt seit dem 1. Januar 2022 auch für Milch und Molkereiprodukte: Kennzeichnung der Haltungsform. Noch machen nicht alle mit, der Trend ist aber im Gange. Achten Sie auf die Abbildung auf der Verpackung.
  3. Es gibt Marken, die ihre Preispolitik transparent kommunizieren. Dazu gehören u. a. „Du bist hier der Chef“, Schwarzwaldmilch, Berchtesgadener Land, Alnatura oder Söbbeke. Auch Initiativen für faire Milch helfen bei der Orientierung. Die bekanntesten sind „Die faire Milch“, „Sternenfair“ und Naturland Fair.
  4. Probieren Sie doch mal eine der vegane Milchsorten. Sie enthalten gesunde ungesättigte Fette und haben eine bessere Klimabilanz als Kuhmilch. Einige Sorten lassen sich auch schäumen – für den perfekten Cappuccino.

Kennzeichnung bei Molkereiprodukten

  • Haltungsform 1 „Stallhaltung“
    Der branchenübliche Mindeststandard der Milchviehhaltung. Meist Anbindehaltung oder ausschließlich im Stall. Noch schlechter ist verboten.
  • Haltungsform 2 „Stallhaltung Plus“
    Kombinationshaltung: Die Kühe können sich zumindest zeitweise im Stall, einem Laufhof oder auf der Weide frei bewegen. Zusätzlich muss im Stall eine Kuhbürste vorhanden sein, mit der die Tiere sich reiben oder kratzen können.
  • Haltungsform 3 „Außenklima“
    Die Kühe haben etwas mehr Platz und eine offene Stalltür oder einen ganzjährig nutzbaren Laufhof. Wenn das nicht möglich ist, dann mind. 120 Tage im Jahr Weidegang. Anbindehaltung ist verboten, vorgeschrieben Futter ohne Gentechnik.
  • Haltungsform 4 „Premium“
    Die Kühe haben mehr Platz im Stall und Auslauf im Freien: ein ganzjährig nutzbarer Laufhof und Weidegang an mindestens 120 Tagen pro Jahr. Das Futter ist gentechnikfrei und stammt überwiegend vom eigenen Betrieb oder aus der Region.

Geben Kühe immer Milch?

Viele wissen es nicht: Eine Kuh gibt nicht einfach so Milch. Damit sich ihre Euter füllen, muss sie schwanger werden und ein Kalb gebären. Während ihres Lebens bringt sie jedes Jahr ein Kälbchen zur Welt. Die Mutter-Kind-Bindung ist dabei sehr groß und die Kuhmilch von Natur aus für das Neugeborene bestimmt.

Doch der Mensch beansprucht beides für sich: In konventionellen Betrieben wird das Kalb direkt nach der Geburt der Kuh entrissen und die Milch abgepumpt. Das Junge wächst als Waise auf, denn die wertvolle Kuhmilch soll vom ersten Tropfen an verkauft und nicht an das Kalb verfüttert werden. Zu trinken bekommen die jungen Kälber Ersatzmilch aus speziellen Nuckeleimern.

Kuhmilch und Mutterkuhherde
© Kara - stock.adobe.com

Am häufigsten in Deutschland: Kuhhaltung im Laufstall 

Die meisten Milchkühe in Deutschland muhen im Stall, nicht auf der Weide. Mit 87 Prozent
dominiert die sogenannte Laufstallhaltung. Dort können sich die Rinder relativ frei bewegen und in verschiedenen Funktionsbereichen aufhalten: Kantine, Schlafraum, Toilette oder Melkstation. Jedenfalls in der Theorie. In der Realität sind moderne Hochleistungskühe deutlich größer als früher und finden in den alten Ställen oft nicht genug Platz. So können sie nicht alle gleichzeitig liegen und auch nicht zwischen verschiedenen Bereichen wählen. 

Das bedeutet, Fressen, Liegen und Ausscheiden finden häufig an einem Platz statt. Zum Melken werden sie in den Melkstand gebracht oder gehen selbstständig dorthin, wenn die Euter voll werden und schmerzen. Damit sich die Kühe gegenseitig oder ihre Betreuer nicht verletzen und der Platzbedarf deswegen nicht erhöht werden muss, werden sie in der konventionellen Zucht enthornt.

Tierquälerei: Kühe in Anbindehaltung

Viel zu viele Milchkühe leben in erzwungener Regungslosigkeit – also in der qualvollen Anbindehaltung. Die Zahl der tierischen Sklaven ist zwar gesunken (innerhalb von zehn Jahren um über 60 Prozent), aber fast eine halbe Million Milchkühe in Deutschland ist von der grausamen Praxis noch betroffen. Die Anbindehaltung ist nicht untersagt, weil sich Bauernverbände erfolgreich gegen ein Verbot dieser Haltungsform wehren.

Dabei werden Rinder mit einer so kurzen Kette oder einem Strick am Hals fixiert, dass sie sich gerade hinlegen, aber nicht mehr umdrehen können. Den Tieren fehlt nicht nur die Bewegungsfreiheit, sondern auch der soziale Kontakt. Die Anbindehaltung zur Produktion von Kuhmilch ist in kleineren Betrieben und in Süddeutschland, besonders im Alpenraum, am häufigsten.

Kuhmilch von Tieren aus dem Laufstall
© Artem Zakharov - stock.adobe.com

Nur wenig Weidehaltung bei der Kuhmilchproduktion

Unabhängig von der Haltungsform – ob Leben an der Kette oder Laufstall – darf nur ein Drittel aller in Deutschland gehaltenen Rinder auf die Weide. Das ist weniger als noch vor zehn Jahren und hat mit der intensiven Milchproduktion und dem anhaltend hohen Fleischkonsum in Deutschland zu tun. Die ganzjährige Stallhaltung erlaubt eine zeit- und platzsparende Ausnutzung der Kuh zur Produktion von Kuhmilch und Fleisch.

Zu den „Happy Cows“, die besonders lange im Jahr die frische Luft genießen dürfen, gehören vor allem Bio-Kühe. Schließlich sind regelmäßiger Freigang und natürliches Futter in den Richtlinien ökologischer Tierhaltung fest verankert.

Das bedeuten die Bio-Siegel für die Kuhhaltung

 Naturland-SiegelBioland-SiegelDemeter-Siegel
Laufställe mit
ganzjährigem Zugang
zu Laufhof
oder Weide
JaJaJa

Hauptsächlich
Grün- und Raufutter

JaJaJa

Enthornung

Im Ausnahmefall
und nur mit
Betäubung &
Schmerzmitteln
Im Ausnahmefall
und nur mit
Betäubung &
Schmerzmitteln
Nicht zulässig
KälberaufzuchtEs wird empfohlen,
Kälber und
Mütter erst nach
den ersten Wochen
voneinander
zu trennen
Es wird vorgeschrieben,
Kälber
und Mütter erst
in der ersten Woche
zu trennen
Keine Richtlinien
Haltung hornloser
Kühe (die
von Geburt an
keine Hörner
haben)
Keine RichtlinienEmpfohlenVerboten, da Hörner
wichtig für
Kommunikation
& Pflege sind. Bei
ausreichend Platz
stellen Hörner
kein Problem dar

Von der Kuh zur Milchmaschine

Statt gesundem Grün- und Raufutter, also frisch geernteten Pflanzen, Gras und Heu, bekommen Kühe in konventioneller Haltung Silage (Gärfutter) sowie Kraftfutter, das meist aus Soja und Mais besteht und die Verdauungsorgane belastet. Dank des hohen Eiweiß- Anteils können die Tiere bis zu 12.000 Liter Kuhmilch im Jahr produzieren, im Schnitt also 33 Liter pro Tag. Das ist doppelt so viel wie noch in den 1950er-Jahren.

Sobald die Milchleistung einer „Turbo-Kuh“ nachlässt, wird sie geschlachtet – meist im Alter von fünf oder sechs Jahren. Die natürliche Lebenserwartung einer Kuh liegt aber bei 20-25 Jahren. Sie gerät unters Messer oft auch dann, wenn sie lahmt oder ihre Euter entzündet sind. Wegen der niedrigen Preise für Kuhmilch lohnt sich eine tierärztliche Behandlung der Tiere meist nicht.

Billigpreise für Kuhmilch

Billige Kuhmilch aus dem Supermarkt geht nicht nur auf Kosten der Kuh, sondern auch des Milchbauers. Damit unterstützen Sie lediglich den Discounter, der den Erzeugern Dumpingpreise für die Kuhmilch zahlt. Da die Landwirte meist nur Verluste machen, suchen sie nach Möglichkeiten, die Milchproduktion weiter zu optimieren.

Der Preisdruck führt zu noch mehr überzüchteten Kühen, die ungesund gefüttert werden und unnatürlich viel Milch geben müssen. Gentechnisch verändertes Futter, Dauerstress und vorbeugende Medikamentenbehandlung schlagen sich bei der Milchqualität nieder.

Kuhmilch ist schlecht für die Umwelt

Kühe sind ein großer Klimafaktor, weil sie sehr viel Methan ausstoßen. Die Massentierhaltung ist der größte CO2-Treiber weltweit, größer noch als der globale Verkehr. Die Hochleistungskühe fressen zudem Kraftfutter, das sich negativ auf die Umwelt auswirkt.

Für die Erzeugung von Kuhmilch wird Regenwald gerodet, um dort große Mengen Soja als Tierfutter anzubauen. In Deutschland verschwinden immer mehr Wiesen und Weiden, weil sie den Mais-Ackern weichen müssen. Mais wird zudem mit einem massiven Einsatz von Mineraldünger, Gülle und Pestiziden angebaut.

Fazit: Immer zu fairer Kuhmilch greifen

Der Pro-Kopf-Konsum von Milch in Deutschland liegt bei knapp 48 Liter im Jahr. Das ist zwar der niedrigste Wert seit 1991, doch der Bio-Anteil ist mit 4 % sehr gering und stagniert seit 2018. Die meiste Milch wird konventionell hergestellt – das hat gravierende Auswirkungen auf das Tierwohl, die Umwelt und auch unsere Gesundheit. Mit einem bewussten Griff zu fairer Kuhmilch unterstützen Sie engagierte Bauer, tragen zum Tierschutz bei und tun etwas Gutes für den Körper.

Tipps und Infos zu mehr Nachhaltigkeit im Alltag:

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